Vorsicht heiß – Einfluss des Emissionsgrades auf die berührungslose Temperaturmessung

Es gibt heiße Objekte, denen man die hohe Temperatur nicht ansieht oder gar anmerkt, weil sie nahezu keine Wärme abstrahlen. Beispielsweise das kleine glänzende Kaffeekännchen morgens im Hotel, das sich erst bei Berührung als sehr heiß herausstellt. Das Beispiel zeigt, dass eine berührungslose optische Temperaturmessung zwingend die Strahlungseigenschaften der Messobjektoberfläche berücksichtigen muss.

Herstellerseitig werden Geräte für die berührungslose optische Temperaturmessung an einem Schwarzen Strahler kalibriert, der die maximal mögliche Temperatur emittiert (100 % Strahlung/Emissionsgrad ε = 1). Diese maximal mögliche Strahlung wird durch das Plancksche Strahlungsgesetz beschrieben [1]:

Wellenlängenabhängigkeit der spektralen spezifischen Ausstrahlung bei Schwarzen Strahlern unterschiedlicher Temperatur (Plancksches Strahlungsgesetz)

Abbildung 1 zeigt die Wellenlängenabhängigkeit der spektralen spezifischen Ausstrahlung bei Schwarzen Strahlern unterschiedlicher Temperatur. Je niedriger die Temperatur ist, umso geringer wird die abgegebene Wärmestrahlung. Gleichzeitig verschiebt sich das Maximum der spektralen spezifischen Ausstrahlung zu höheren Wellenlängen. Bei Temperaturen im Raumtemperaturbereich liegt dieses Maximum im langwelligen Infrarotbereich bei etwa 10 µm Wellenlänge. Temperaturen von 1500 °C führen zu einer maximalen Ausstrahlung im nahen Infrarotbereich bei etwa 1,6 µm.

Abbildung 1: Wellenlängenabhängigkeit der spektralen spezifischen Ausstrahlung von Schwarzen Strahlern unterschiedlicher Temperatur

Der Emissionsgrad ist praktisch immer kleiner als 1, das heißt, die realen Messobjekte geben eine gegenüber dem Planckschen Strahlungsgesetz geringere Strahlung ab. Bis auf wenige Ausnahmen muss deshalb der Anwender in der Praxis einen Emissionsgrad ε<1 am Gerät einstellen. Unterstützt wird er dabei durch mehr oder weniger umfangreiche Emissionsgradtabellen, die den Geräten oft beiliegen und auch in der Literatur zu finden sind [2]. In diesen Tabellen können für die meisten Stoffe und Stoffgruppen keine festen Werte, sondern nur Wertebereiche angegeben werden. Das liegt unter anderem daran, dass der Emissionsgrad sowohl von der Wellenlänge als auch von der Temperatur selbst abhängen kann, aber auch von der unmittelbaren Oberflächenbeschaffenheit einschließlich deren zeitlicher Änderung beeinflusst wird. Beispielsweise kann sich eine Metalloberfläche im Bearbeitungsprozess durch Oxidation oder Kühlwasser verändern.

Wie beeinflusst eine Emissionsgradfehleinstellung die Messgenauigkeit?

Es wird deutlich, dass eine präzise, fehlerfreie Emissionsgradeinstellung gar nicht möglich ist. Die eigentliche Frage ist deshalb, wie eine Emissionsgradfehleinstellung die Messgenauigkeit beeinflusst. Diese Frage kann ganz einfach mit Hilfe der Strahlungsphysik beantwortet werden. Unter der Randbedingung, dass die Objekttemperatur TO viel größer als die Umgebungstemperatur TU ist, folgt aus dem Planckschen Strahlungsgesetz [1, 2]:

Abhänigkeit des Temperaturmessfehlers vom relativen Emissionsgradfehler, der Temperatur selbst und der effektiven Wellenlänge

Der Temperaturmessfehler ΔTO hängt vom relativen Emissionsgradfehler, der Temperatur selbst und der effektiven Wellenlänge λeff beziehungsweise vom Spektralbereich des Strahlungsmessgerätes ab. Diesen Sachverhalt verdeutlicht Abbildung 2. Berechnet wurden bei drei verschiedenen Objekttemperaturen die Temperaturmessfehler bei einem Emissionsgradfehler von 10 Prozent für vier verschiedene Spektralbereiche. Man sieht deutlich, dass sich der Fehler mit zunehmender Messwellenlänge oder steigender Temperatur vergrößert. Deshalb sollte der Wellenlängenbereich des Messgeräts immer so kurzwellig wie möglich sein.

Diese grundlegende Forderung nach Messung bei kürzestmöglichen Wellenlängen hängt wiederum von der Objekttemperatur ab. Um akzeptable Temperaturauflösungen zu erzielen, können zum Beispiel sehr kurzwellig arbeitende Messgeräte mit Si-Infrarot-Sensor (0,8 µm bis 1,1 µm) erst ab etwa 600 °C eingesetzt werden. Der relative Emissionsgradfehler hängt aber auch vom allgemeinen Emissionsniveau ab. Wird eine Stahloberfläche (ε = 0,85) mit ε=0,8 gemessen, ist dieser nur sechs Prozent falsch eingestellt und ein Gerät mit Si-Sensor würde bei 600 °C nur 3 °C zu viel anzeigen. Wenn bei gleicher Temperatur auf einer Wolframoberfläche (ε = 0,35) mit ε= 0,3 gemessen wird, ist dieser schon 14 Prozent falsch eingestellt und das Messgerät würde bereits 8 °C zu viel anzeigen. Da das Emissionsgradniveau von Metalloberflächen im langwelligen Bereich immer mehr abnimmt, sollten gerade Metalle immer so kurzwellig wie möglich gemessen werden.

Abbildung 2: Temperaturmessfehler und relativer Temperaturmessfehler bei einem Emissionsgradfehler von zehn Prozent in Abhängigkeit von Objekttemperatur und Spektralbereich

Wärmebildgeräte von DIAS Infrared – Mehr als nur Standard

Infrarotmessgeräte zur berührungslosen Messung der mittleren Temperatur eines Messfeldes werden Strahlungsthermometer oder Pyrometer genannt. Ist das Messfeld hinreichend klein, spricht man auch von Geräten zur punktförmigen Temperaturmessung. Bei diesen Messgeräten werden von namenhaften Herstellern heute viele Gerätevarianten angeboten, die auch eine optimale Wahl von Spektral- und Temperaturbereich gestatten.

Bei Wärmebildgeräten beziehungsweise Infrarotkameras zur berührungslosen Messung von Temperaturverteilungen – einschließlich Linienkameras zur Messung von Temperaturprofilen – gelten die gleichen Gesetzmäßigkeiten. Dennoch findet man heute nur wenige Hersteller, die auch hier außerhalb des „Standard“-Spektralbereichs von 8 µm bis 14 µm geeignete Geräte anbieten. Zu diesen wenigen Herstellern gehört DIAS Infrared aus Dresden, die speziell für die industrielle Temperatur-Prozessmesstechnik ein umfangreiches Produktsortiment herstellt.

Literatur:
[1] VDI/VDE-Richtlinien 3511, Blatt 4, Technische Temperaturmessung – Strahlungsthermometrie, Berlin, Beuth Verlag, 2011-2012
[2] VDI/VDE-Richtlinien, Blatt 4.5, Technische Temperaturmessung – Strahlungsthermometrie in der Praxis, Berlin, Beuth Verlag, 2013

Autoren:
Dr. Christian Schiewe, System- und Applikationsingenieur
Katrin Schindler, Marketing & PR
Erschienen in:
messtec drives Automation 3/2014